Neu in Deutschland - Nr. 11

26 nid: Wir haben uns sehr gefreut zu sehen, dass auch Künstler*innen aus unserer Hei- mat Syrien die Chance haben, ihre Arbeit hier zu präsentieren. Wie entscheiden Sie, welche Künstler*innen Sie ins Programm aufnehmen? Stefanie Carp: Ich reise viel herum und spreche mit Künstler*innen. In den vergan- genen Jahren waren vor allem Produktio- nen aus Europa an der Ruhrtriennale betei- ligt. Das wollte ich ändern. In diesem Jahr sind alle Kontinente und viele Sprachen beteiligt. nid: Wer besucht die Ruhrtriennale? Carp: Ich hoffe, dass möglichst viele un- terschiedliche Menschen kommen! In den meisten deutschen Theatern sehe ich vor allem ältere Menschen mit wenig Migrati- onserfahrung – abgesehen von Berlin, da ist das Publikum bunter. Mich interessiert sehr, wie junge Menschen mit unterschied- lichen kulturellen Hintergründen unser Pro- gramm sehen. Es wäre jammerschade, wenn die Ruhrtriennale ohne die Menschen mit arabischen, kurdischen, afrikanischen und anderen Wurzeln stattfände. nid: Über Syrien wird gerade sehr viel ge- sprochen – aber immer geht es um Krieg und Gewalt. Gibt es im Theater auch Platz für das syrische Leben vor dem Krieg...? Ist das für die Zuschauer*innen interessant? Carp: Ja, wir müssen mehr über Syrien hö- ren, als in den Medien berichtet wird. Sy- rien war ein blühendes Land, bevor es in diese Diktatur geriet. Für mich sind die in- dividuellen Perspektiven am interessantes- ten. Deshalb haben wir zum Beispiel den syrischen Dramatiker Mohammad Al Attar und den syrischen Regisseur Omar Abu- saada mit dem Stück „The Factory“ ein- geladen. Das Stück, das auf Arabisch mit deutscher Übersetzung gespielt wird, zeigt die Scheinheiligkeit der internationalen Po- sitionen. Wenn es um Geld geht, geben fast alle ihre moralischen Positionen auf. nid: Welche Rolle kann die Kunst bei ge- sellschaftlichen und globalen Umbrüche spielen? Carp: Kunst kann nie konkret etwas ver- ändern, aber sie kann das Bedürfnis nach einer Veränderung wahrnehmbar machen. nid: In unserer aktuellen Zeitung haben wir das Thema Ich + Wir. Dürfen wir fragen, woran Sie spontan denken, wenn Sie das hören? Carp: Ich denke daran, dass unsere Gesell- schaft deutlich egomanischer geworden ist. Wir sind alle Ich-AGs, jeder kämpft für sich. In den 1970er-Jahren war unser „Wir“ stärker. Wir müssen wieder lernen zu teilen und gemeinschaftlicher zu denken. Das Gespräch mit Stefanie Carp führten Mahmoud Aldalati, Dima Halabi und Dorte Huneke-Nollmann. Die Ruhrtriennale steht in diesem Jahr unter dem Titel „Zwischenzeit“. www.ruhrtriennale.de „Wir müssen mehr über Syrien hören, als in den Medien berichtet wird“ Flucht und andere fundamentale gesellschaftliche Umbrüche und Aufbrüche stehen im Fokus der diesjährigen Ruhrtriennale, dem bekannten Festival der Künste im Ruhrgebiet, das im August beginnt. Im Mai 2018 war das nid-Team eingeladen zu einem Gespräch mit der künstlerischen Leiterin Stefanie Carp. Beide Fotos: Im Gespräch mit Ruhrtriennale-Inten- dantin Stefanie Carp, Foto: Ruhrtriennale 2018 DANKE! Dem Bochumer Prinzregenttheater verdankt das nid-Team viele wertvol- le Stunden im Theater, eine starke + herzliche Unterstützung unserer Arbeit, ganz besonders durch Sandra Schuck + Katja Prien! Und alles war nur möglich durch die freie, vertrauensvolle Theaterleitung von Romy Schmidt. Unfassbar, dass Bochum Euch gehen lässt. Die Spielzeit unter dem Leitungstrio Romy Schmidt/Sandra Schuck/ Frank Weiß endete im Juni 2018. Das nid-Team im Juni am PRT nach dem Stück YOUR LOVE IS FIRE, Regie: Rafat Alzakout

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