neu in Deutschland | Nr. 14

31 Glücklich, weil mir nie verständlich war und sein wird, warum die Form meiner frei ge- wählten Kleidung ein öffentliches Ärgernis sein kann, als unsittlich betrachtet. Wenn von Männern hingegen die weiblichen Genitalien (ihrer Schwestern oder Mütter) ganz offen benannt werden, wütend im Streit oder lachend im Spaß, droht kein Re- spektverlust. Glücklich, weil mir nie verständlich war und sein wird, warum ich meinen Körper verste- cken soll, um keine männlichen Instinkte zu wecken – während Männer sich in der Öffentlichkeit in ihrer ganzen männlichen Schönheit präsentieren und Bewunderung ernten, ohne Rücksicht darauf, dass meine weiblichen Instinkte Purzelbäume schla- gen könnten. Glücklich, weil mir nie verständlich war und sein wird, warum mein Körper und meine Sexualität ein Verstoß gegen die Moral der Gesellschaft sein soll – während die sexu- ellen Bedürfnisse des Mannes als natür- lich betrachtet werden, und sie beschädi- gen sein gesellschaftliches Ansehen nicht. Glücklich, weil mir nie verständlich war und sein wird, warum ich mich an die Regeln und Gesetze einer Gesellschaft halten soll, deren Fundament ins Wanken gerät, so- bald ich vor Freude tanze und mit meinem Hintern wackele. Glücklich, weil mir nie verständlich war und sein wird, warum ich meine Stimmun- gen und Empfindungen im Keim ersticken soll, um die Ehre meiner Familie und mei- nes Mannes zu schützen – während dem Mann, gemäß seinem Alter, eine ganze Reihe von Eigentümlichkeiten zugebilligt werden. Glücklich, weil mir nie verständlich war und sein wird, warum alle Reinheit, Tugend und Ehre der Gesellschaft allein auf die Frau konzentriert sein soll. Weshalb es so leicht ist, die Frau im Namen der Tugend zu ver- letzen, sie im Namen der Liebe in Angst zu versetzen, im Namen der Eifersucht zu fangen, im Namen der ehelichen Gemein- schaft einzugrenzen, zu verkaufen und im Namen der Ehre zu töten. Manche werfen mir vor, meine Heiterkeit sei ein Aufstand gegen die Tradition, un- ser ethisches Grundverständnis, unsere gesellschaftlichen Grundlagen. Andere sehen darin sogar einen Aufruf zu einem freizügigen, unmoralischen, ausschweifen- den Leben. Ich gebe offen zu: Es erfüllt mich mit gro- ßer Freude, dass auch diese Vorwürfe zu den Dingen gehören, die ich nicht mehr ver- suche zu verstehen. Ich möchte alle Frauen auf dieser Welt dazu ermutigen, sich von den Schuldge- fühlen zu befreien, die jeder Frau in ihrer Erziehung auferlegt werden, durch eine vermeintliche Sündhaftigkeit. Damit das Leben für sie erträglicher wird in einer Ge- sellschaft, die darüber bestimmt, welche Rechte und Freiheiten die Frau hat. Das kann von Familie zu Familie, von Region zu Region, von Lebensphase zu Lebensphase unterschiedlich sein, ausgehend von der Offenheit und Toleranz der Männer. Und schließlich möchte ich all jene ermuti- gen, die die Freiheit der Frau beherrschen wollen: Beherrscht doch einmal Euren Ver- stand! Der Körper der Frau zeugt zunächst einmal nur von ihrer physischen Existenz als vollwertige Person. Niemand darf der Frau diese Existenz absprechen, wer auch immer er ist und welche Begründung er da- für gibt. Befreit Euch von diesem engen Denken. Befreit Euren Verstand aus den engen Mauern, die uns Frauen von Kopf bis Fuß gefangen halten. Hört auf, die Frau auf Erden auf das Schamhafte zu reduzieren und im Himmel als Jungfrau zu preisen. Rasha Halabi (37) ist in Homs, der drittgrößten Stadt in Syrien, geboren und aufgewach- sen. In Aleppo studierte sie Bank- und Finanzwesen und zog später nach Damaskus. Im September 2015 kam sie nach Deutschland. Sie ist geschieden, lebt in Berlin und arbeitet als kaufmännische Sachbearbeiterin bei einem Elektrobus-Hersteller. Übersetzung: Amel Fellah Es freut mich sehr, meine Stimme durch diese Zeitung wahrnehmbar machen zu können. Ich bin eine arabische Frau und dort, wo ich aufgewachsen bin, ist der Mann das Oberhaupt der Familie. Die Frau ist schwach. Alte Traditionen und Bräuche machen die Frau schwach. Die Frau soll ihre Meinung nicht sagen, auch und vor allem gegenüber ihremMann. Der Mann hat das Sagen. Eine Frau kann davon träumen, zu studieren oder beruflich erfolgreich zu sein. Aber die Tradition sieht das nicht vor. Die Frau soll im Haus bleiben, sich vollständig den Kindern widmen, die Wohnung ständig in Ordnung bringen, aufräumen, kochen, putzen. Seit ich in Deutschland bin, ist mein Leben durcheinander gewirbelt. Ich sehe, dass die Frauen hier ihre Meinung sagen können. Die Frauen haben die gleichen Rechte, die gleiche Würde wie die Män- ner. Das ermutigt mich, meine begrabe- nen Träume wieder hervorzuholen und möglicherweise sogar umzusetzen. Ich möchte in dieser Gesellschaft, die für mich neu ist, integriert werden, die neue Kultur und die Menschen kennen- lernen. Ich wünsche mir, dass ich hier eine Zukunft haben kann, wie ich sie mir vorgestellt habe. Ich habe große Hoffnung, seit ich in Deutschland bin – und dieses Gefühl ist immer noch da, obwohl ich merke, dass viele ummich herum immer negativer denken. Weil es schwer ist, die deutsche Sprache zu lernen und einen Job zu finden. Das gefällt mir nicht. Ich bin sicher, dass ich klug genug bin, ummeine Ziele zu erreichen, und alle werden es sehen können. Ich möchte auch weitere Texte schreiben und freue mich, wenn dieser erste Text veröffentlicht werden kann. Meine Stimme anonym

RkJQdWJsaXNoZXIy NDcxMjk=