Neu in Deutschland - Nr. 11

Aber bitte mit Respekt! Ammar: Wir sind es aus unserer Heimat nicht gewohnt, dass die Religion kriti- siert wird. Viele denken, dass wir auch in Deutschland nichts gegen die Religion sa- gen dürfen. Aber hier haben wir das Recht, unsere Meinung zu äußern. Rasheed Issa: Man kann ja zunächst die Gemeinsamkeiten ansprechen. Dann gibt es eine Basis, auf der man auch über Un- terschiede sprechen kann. Laila: Unsere Großeltern haben über die Religion gestritten. Das sollten wir nicht wiederholen. Wir stören uns doch gegen- seitig nicht! Piotr Suder: Wenn wir nicht darüber spre- chen, dann überlassen wir denjenigen das Wort, die Vorurteile schüren und pauscha- lisieren. Rasheed Issa: Seid Ihr schon mal be- schimpft worden? Laila: Ja – als ich in der S-Bahn ein arabi- sches Buch gelesen habe. Nahed: In den ersten Monaten sehr viel. Inzwischen geht es. Inzwischen sind wir ja auch sprachlich in der Lage, zu reagieren! Issam: Rassismus ist für uns aber nicht neu, wir kennen das aus anderen Ländern. Khaled: Ich weiß, dass viele Menschen in Deutschland hinter mir stehen. Ich habe diese Solidarität gespürt. Und ich habe ge- lernt, dass ich hier viele Rechte habe. Das hilft. Wie reagiert man auf Beschimpfungen und Diskriminierungen am besten? Rasheed Issa: Dazu geben wir in unseren Trainings ganz konkrete Hinweise. Zum Beispiel kann man meistens gut zurückfra- gen „Wie kommen Sie dazu?“ Anstelle einer Vorstellungsrunde zogen alle Anwesenden einen Zettel mit einer Frage: Denkst Du, auf deutschen Autobahnen sollte es ein Tempo-Limit geben? Denkst Du, Männer und Frauen sollten gleich viel im Haushalt arbeiten? Denkst Du, wir soll- ten mehr über Politik reden, oder weniger? Denkst Du, Busse & Bahnen sollten für alle kostenlos sein? Möchtest Du gerne mehr Kontakt zu Deinen Nachbarn haben? Über die jeweiligen Antworten lernten wir uns kennen – als Menschen mit unterschiedli- chen Meinungen. Unterschiede aushalten, das ist die große Herausforderung in einer Demokratie. Khaled: Ich möchte sagen können, was ich denke. Aber ich mache damit keine guten Erfahrungen. Piotr Suder: Man sollte über alles spre- chen können! Ein Konflikt ist nicht negativ. Um Streit und Eskalationen zu vermeiden, ist es gut, auf die Formulierungen zu ach- ten. Wenn ich sage: „Du bist ein Rassist“, dann ist das eine Beschimpfung. Wenn ich aber sage: „Was Du sagst, ist in mei- nen Augen rassistisch!“, dann lässt sich darüber diskutieren. Mahmoud: Von mir aus kann jeder sagen, was er oder sie denkt – aber bitte mit Re- spekt! Khaled : Viele sagen, man solle nicht über alles sprechen. Religion sei Privatsache. Aber sobald wir auf die Schulen gucken, gibt es Konflikte. Da ist die Religion nicht mehr Privatsache. Thamer: Wenn wir nicht über die Religion sprechen, wie erfahren wir dann etwas voneinander? An was wir glauben, wer wir sind? Um über Demokratie, Rassismus und Meinungsfreiheit zu sprechen, traf das nid-Team im Mai 2018 zwei Bildungsreferenten aus den Projekten „Partnerschaft für Demokratie“ in Hattingen und #selam: Piotr Suder und Rasheed Issa „Partnerschaft für Demokratie“ in Hattingen und #selam sind Projekte von IFAK e.V., gefördert durch das Bundesprogramm „Demokratie leben“. Zu den Angeboten gehört ein „Argumentationstraining gegen rassistische und rechte Stammtischparolen“. Mehr über die Projekte im Internet: demokratie-leben-hattingen.de ifak-bochum.de/selam Hiba Nasab (vorne), Fotos: Wolfgang Wedel Rashed Alalej Piotr Suder Issam Alnajm (rechts) mit Ammar Sommak 11 10 Fortsetzung nächste Seite im Gespräch mit Rashed Alalej, Mahmoud Aldalati, Zozan Alhashme, Laila Ammi, Nahed Al Essa, Dorte Huneke-Nollmann, Thamer Khale, Issam Alnajm, Hiba Nasab, Khaled Al Rifai, Ammar Sommak

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