Neu in Deutschland - Nr. 11

22 Wieder lebendig Die einzige Verbindung zu meiner Schwes- ter Sanaa hatte ich in den vergangenen sechs Jahren über die sozialen Medien – und über unsere gemeinsame Hoffnung, dass wir uns eines Tages wiedersehen würden. Im April 2018 war dieser Tag auf einmal da. Offiziell sagt man dazu: „Familienzu- sammenführung“. Doch was es eigent- lich ist, das kann nur das klopfende Herz erzählen, mit dem ich zum Flughafen fuhr, um meine Schwester und ihre zwei Kinder abzuholen. An diesem Tag wurde ich als Bruder einer Schwester wieder le- bendig – und als Onkel von zwei Neffen, zwei und sieben Jahre alt! Auf dem Weg zum Flughafen nahm ich um mich herum alles als unwirklich wahr. Der Mann mei- ner Schwester war bei mir. Er ist seit etwa drei Jahren in Deutschland, in Paderborn. Als er sein Land verließ, war sein jüngster Sohn, mein Neffe, noch nicht geboren. Nun habe ich hier auch eine familiäre Verankerung. Über eine Stunde warteten wir in der Ankunftshalle. Ich beobachtete andere Familien, die sich begrüßten und eng zu- sammenstanden. In mir ging alles durch- einander, was mir nicht oft passiert. Meine Tränen wären fast gefallen. Das Flugzeug, das gerade gelandet war, kam aus Erbil im Irak. In Erbil erhalten viele Menschen die notwendigen Dokumente und Visa für den Familiennachzug. Viele Familien, die sich hier in der Ankunftshalle in die Arme fielen, erlebten also etwas Ähnliches wie wir. Ich hielt mein Handy bereit, um diesen unver- gesslichen Moment, der uns bevorstand, aufzuzeichnen. Endlich kam Sanaa und sah mich an. Meine Schwester fiel ihrem Mann in die Arme, die Kinder fielen ihrem Vater in die Arme. Sanaa weinte. Sie nahm mich in den Arm. Es war ein unglaublicher Moment. Ich wusste nicht, was ich sagen wollte, was ich machen konnte. Ich bin so glücklich, dass meine Schwes- ter und ihre Kinder hier sind, meine Familie. Stück für Stück baue ich mir in Deutsch- land eine neue Heimat auf: Erst lernte ich die Sprache, dann fand ich Freunde. Be- ruflich bin ich durch meine Ausbildung fest eingebunden und kann ein eigenständiges Leben führen. Nun habe ich auch eine fa- miliäre Verankerung. Langsam fühle ich mich wohl in Deutschland, und heimisch. Ich werde hoffentlich damit aufhören, mein Leben und meine Zugehörigkeit hier in Frage zu stellen. Ich werde meiner Schwester dabei helfen, hier anzukommen, sich einzuleben. Ich hoffe, dass sie sich wohl und heimisch fühlen kann. Darin liegt eine große He- rausforderung, für uns beide. Ich will sie mutig bewältigen! Mein altes Leben wurde zerstört und ich möchte hier ein neues aufbauen. In mei- nem Kopf sind viele Träume, die ich hier realisieren möchte, bis zum Ende meines Lebens. Was die Zukunft bringt, das weiß ich nicht. Aber ich werde hoffnungsvoll bleiben und mein Bestes geben, dass das, was kommt, gut wird. Von Khaled Al Rifai Zum ersten Mal seit sechs Jahren sah nid-Autor Khaled Al Rifai im Frühjahr 2018 seine Schwester wieder. Bei der Frauenversammlung des Regional- verbandes Ruhr (RVR) war das nid-Frauen- Team im März zu Gast. Abdulrahman Salah aus dem nid-Team traf im März Konfirmand*innen in Bochum- Grumme zu einem Gespräch. Im April traten wir auf Einladung des Evange- lischen Forums Münster im SpecOps auf. Seit Ende April ist die nid-Zeitung Mitglied im Netzwerk „RuhrLiteraten im Quadrat“. Nour Al Zoubi und Nahed Al Essa vertraten unser Team im April bei der Eröffnung der Internationalen Kulturwochen im Bochumer Westend. Beim Stadtfest „DortBunt!“ im Mai präsentier- te das nid-Team ein 80-minütiges Programm – mit spontaner Gesangseinlage von Laila Ammi! Die Schauspielerin Maria Wolf unterstützt uns seit vielen Monaten mit ehrenamtlichen Lese-Coachings und als Sprecherin auf der Bühne. Im Mai/Juni tickten die Uhren in der nid-Re- daktion anders: Es war Ramadan und im nid-Team gibt es dazu unterschiedliche Überzeugungen und Verhaltensweisen. Wir respektieren das! Und haben darüber geschrieben - online. Lamia Hassow, Issam Alnajm und Laila Ammi nahmen mit Texten aus unserer Zeitung an einem Theaterprojekt in Witten teil. Nour Al Zoubi und Laila Ammi stellten im Mai unsere Zeitung einer Gruppe von Studie- renden der Evangelischen Hochschule in Bochum vor. Nach einem Besuch beim Writers‘ Room in Düsseldorf (Literaturbüro NRW), empfingen wir das Team um Maren Jungclaus im Juni in Bochum . R Ü C K B L I C K Khaled Al Rifai mit seiner Schwester und ihren Kindern am Flughafen Düsseldorf Weitere Aktivitäten unter www.nid-zeitung.de/termine

RkJQdWJsaXNoZXIy NDcxMjk=