Neu in Deutschland - Nr. 11

17 Sie sprechen besser Arabisch als Deutsch. Sie bauen sich ein neues Leben auf. Sie suchen nach neuen Wegen. Meine Freun- de und ich haben bestimmten Orten in Bochum sogar arabische Namen gege- ben. Den „Citypoint“ nennen wir „Umayya- den-Platz“, nach dem bekannten Platz in Damaskus. Zur Einkaufsmeile Kortum- straße sagen wir „Alhamiediee Markt“. Einige werden beim Lesen dieser Zeilen vielleicht erschrecken. Sie werden denken: Ja, genau! Die Syrer leben in ihrer eigenen Welt! Überall wird Arabisch gesprochen! Keiner braucht Deutsch zu lernen! Also ler- nen die Geflüchteten gar nicht erst Deut- sch!in Deutschland bin. In Bochum kann ich Lebensmittel einkau- fen, die auch meine Mutter zum Kochen verwendet. Ich kann beim Haareschneiden arabische Musik hören. Aber wissen Sie was? Es tut mir unheimlich gut, dass es so ist! Ich fühle mich weniger fremd, weniger einsam. Das Heimweh wird erträglich. Und an meinem Plan, hier in Deutschland zu studieren, halte ich fest – das verspre- che ich Ihnen! Raschad.homse@hotmail.com Meine Heimat wurde gestohlen von Mördern, Dieben, Wölfen, Tyrannen. Meine Träume steckte ich in eine Tasche. Neben diesen Träumen in dieser Tasche liegt tiefe Traurigkeit. Meine Tasche steckt voller Erinnerungen an die Abenteuer meiner Kindheit die Blüten des Jasmins einen kleinen Steinofen im Garten meines Großvaters Wollpullover, von meiner Mutter gewebt den Geruch meines Landes. Ich blicke gespannt auf meine Reise in eine unbekannte Welt auf der Suche nach einer Heimat wo meine Hoffnung Wurzeln schlagen kann und meine Träume emporwachsen. Doch wie ein entwurzelter Baum falle ich und die Luft kann mich nicht tragen. Das Schicksal nahm mir die Wurzeln meine Krone, meine Blätter. Meine Tasche trage ich immer bei mir. Sie steht mir bei in Momenten der Demütigung und der Entfremdung. Meine Tasche duftet nach Vergangenheit trägt mein Herz und trägt das Licht. Ich öffne meine Tasche und ein Strahl der Erinnerung trifft mich. Die Stimme meiner Mutter sagt zu mir: „Wann sehen wir uns wieder?“ Ich vergesse zu atmen. Der Duft des Jasmins liegt zwischen den Seiten eines Buches und weckt mich auf. Mein Herz schlägt. Eine Träne, salziger als die Tränen der Freude fällt wie ein Salzkorn ins Meer. Das Gewicht der Tasche zieht mich zu Boden. ------ Dieser Text entstand an einem kalten Wintertag Anfang 2018 in Bochum. Um sich vor der Kälte zu schützen, hatte Wael Alkadrw einen Wollpullover angezogen, bunt wie ein Regenbogen, den seine Mutter in Syrien für ihn gestrickt hat. Von Wael Alkadrw Das Herz in der Tasche Rashed Alalej, Foto Wolfgang Wedel Wael Alkadrw, Foto Wolfgang Wedel Bochum ist meine neue Heimat www.nid-zeitung.de zeitung über flucht, liebe und das leben neu in deutschland

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