Neu in Deutschland - Nr. 11

18 Schön, dass diese Tür offen ist Von Renas Mohammad Renas Mohammad Ich stelle mir vor, in fünf Jahren werde ich... Über die Zukunft möchte ich nicht zu viel nachdenken Wie ich sein werde... Darüber möchte ich eigentlich gar nicht viel nachdenken. Ich fürchte, dabei die Zeit aus dem Blick zu verlieren, in der ich gerade lebe. Wichtig ist mir, dass ich immer eine menschliche Hal- tung habe, egal was sich ansonsten verän- dert. Dass meine Türen geöffnet bleiben, gegenüber anderen Menschen und Eindrü- cken. Dass ich glücklich sein kann. Die Träume, die ich einst in mir trug, sind bereits auf dem Weg sich zu verwirkli- chen. Gerne würde ich auch noch weitere Sprachen lernen, um Menschen aus unter- schiedlichen Kulturen und Gesellschaften zu begegnen und sie besser zu verstehen. Von Issam Alnajm Ich hoffe auf sehr viel Geduld Wenn ich in fünf Jahren gefragt werde, was ich beruflich mache, dann möchte ich eine klare Antwort darauf geben können. Vielleicht werde ich noch im Studium sein. Aber ich werde nebenbei arbeiten und nicht mehr mit einem verlegenen Lächeln sagen müssen, dass mein Leben vom Jobcenter bezahlt wird. Noch schöner wäre es, wenn ich mein Studium bereits abgeschlossen hätte und Vollzeit arbeiten würde. Ob ich in Bochum bleibe? Das ist mein Wunsch. Aber das hängt davon ab, wo ich Arbeit finden kann. Ich möchte mich im Deutschen ganz sicher fühlen, aber keine Sprachprüfungen mehr machen, und au- ßerdem mein Englisch verbessern. Hof- fentlich nehme ich ein paar Kilo zu. Und ich würde gerne weiter für unsere Zeitung schreiben, aber nicht mehr unter dem Titel „Neu in Deutschland“. In fünf Jahren möch- te ich ein Auto haben, um nicht mehr so viel Zeit damit zu verbringen, auf die Bahn zu warten. Ich hoffe, dass in Syrien Frieden herrschen wird und ich ohne Probleme zwischen meinen beiden Heimatländern hin und her reisen kann, um meine Familie zu treffen. Für mich selbst und für unser Zusammen- leben hoffe ich auf sehr viel Geduld: damit wir unsere unterschiedlichen Mentalitäten lernen zu ertragen. Damit wir in Frieden in unseren Häusern leben können. Ach ja, ein eigenes Haus und ein Garten, das wären auch noch Träume. Aber diese gehören wohl in einen anderen Text, in spätere Zei- ten. Von Mahmoud Aldalati Wir werden zu einem Teil dieses Landes geworden sein Ich wünsche mir, dass ich in fünf Jahren verheiratet bin und ein Kind habe. Das sagt mein Herz. Meine Vernunft sagt: Es wäre gut, wenn ich bis dahin auch mein Studium abgeschlossen hätte. Meine Fantasie sagt: Syrien wird wieder aufgebaut sein, mit vielen schönen Gebäu- den und befahrbaren Straßen. Ob ich dann nach Syrien zurückkehren möchte? Das weiß ich nicht. Darüber denke ich nach, wenn es soweit ist. Wenn ich weiter träume, dann habe ich in fünf Jahren eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung und unsere Zeitung wird überall in Deutschland gelesen. Unsere Geschichten und Gedan- ken werden wahrgenommen und wir sind zu einem Teil dieses Landes geworden. Von Rashed Alalej In meiner Heimat Syrien sagen viele Men- schen WIR und meinen damit eine Gruppe von Menschen, die eine Kultur und Religi- on teilen. Das war für mich ganz normal, weil jeder in unserem Land so eine Gruppe hat. In Deutschland sage ich WIR und meine damit alle Menschen aus Syrien. Dabei kommen wir aus sehr unterschiedlichen Kulturen. In meinen ersten Monaten in Deutschland habe ich mich sehr fremd gefühlt und viele schlechte Erfahrungen gemacht. Ich hatte das Gefühl, dass um mich herum alle Men- schen in Gruppen leben. Alle sagten WIR, aber ich gehörte nicht dazu. Und noch etwas ist mir in Deutschland aufgefallen: Ein guter Freund von mir in Bochum sagt immer „In Deutschland ist das soundso...“, wenn er mir etwas erklä- ren will. Er sagt nicht: „WIR machen das in Deutschland so.“ Ich habe ihn gefragt, warum er das so sagt. Seine Erklärung: Um den Geflüchteten nicht das Gefühl zu geben, vor einem geschlossenen WIR zu stehen. Ich finde es toll, dass er sich diese Gedanken macht. Natürlich müssen wir als Geflüchtete in Deutschland erst einmal einen Platz für uns in dieser Gesellschaft finden. Aber es ist schön zu wissen, dass diese Tür offen ist. Dass wir hoffentlich irgendwann zum WIR in diesem Land gehören. Eine Demokratie lebt von unterschiedlichen Positionen. Piotr Suder

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